Die Geschichte, die ich euch erzählen will, ist nicht wirklich so geschehen, aber sie ist trotzdem wahr.
Es war zu der Zeit, als Maria schon das Jesuskind in ihrem Bauch trug. Da wollte sie ihre Freundin besuchen - Elisabeth. Es war ein weiter Weg ... über Berge und Täler. Es war heiß und es hatte
lange, lange nicht geregnet. Das Gras und die Blumen waren vertrocknet. Alles war grau und staubig. Und dann stand vor Maria ein Dornengestrüpp. Der Weg war nicht mehr zu sehen - nur noch spitze,
harte Dornen überall. Das waren wohl einmal Rosen gewesen. Sie hatten irgendwann einmal schön geblüht und wunderbar geduftet. Und nun ... kein einziges grünes Blatt mehr ... alles vertrocknet.
Wie sollte Maria durch diesen schrecklichen Dornenwald durchkommen?
Da sah sie gar nicht weit ein paar Leute sitzen. „Wisst ihr nicht einen Weg durch diese Dornen?“, fragte Maria. „Ach, weißt du, eigentlich wollten wir losgehen und einen Weg
durch die Dornen schlagen. Hier haben wir Beile und Sägen. Aber das hat doch alles keinen Sinn – dieser riesige Dornenwald – das schaffen wir sowieso nicht. Hier haben wir einen Platz gefunden,
da kann man ganz gut sitzen und essen und trinken und lustig sein. Wir schauen einfach nicht mehr hin zu den Dornen, dann stören sie uns nicht mehr. Bleib doch hier
bei uns und mach es dir gemütlich!“
Aber Maria wollte nicht bleiben. Sie wollte zu ihrer Freundin. Und so ging sie los.
Es war mühsam. Jede Dornenranke musste sie vorsichtig beiseite schieben ... ihr Kleid zerriss ... ihre Haut wurde zerkratzt. Manchmal konnte sie kaum noch die richtige Richtung
erkennen.
Wenn sie den Mut verlor, dann setzte sie sich hin und träumte... Sie träumte, dass diese Dornenbüsche wieder grüne Blätter hatten - und duftende Blüten. Bienen und Schmetterlinge flogen herum und
Vögel sangen schöne Lieder. So träumte Maria... und dann hatte sie wieder Kraft, weiterzugehen.
Plötzlich sah sie da hinten einen kleinen Vogel, der hing in den Dornen fest und konnte nicht mehr heraus. Er piepste so ängstlich. Er tat ihr so leid ... aber sie war so müde, und der Weg zum
Vögelchen so mühsam. „Es hat doch keinen Sinn! Ich kann ja nicht alle Vögel retten.“ dachte sie. Da spürte sie das Kind in sich. Es bewegte sich, als wollte es ihr etwas sagen.
Und da konnte sie nicht mehr vorbeigehen. Sie kämpfte sich zum Vögelchen durch, sprach leise mit ihm und bog ein paar Zweige weg, so dass der Vogel durchschlüpfen konnte. Er flatterte auf einen
Zweig und begann zu singen - und da sah Maria, dass dort an dem Zweig die harten Knospen aufgegangen waren und eine zarte rote Rose blühte. Oh, wie schön! Lange schaute sie die Rose an und roch
den süßen Duft. Aber dann musste sie sich weiter durch die Dornen kämpfen.
Mühsam ging es voran. Die Dornen kratzten, die heiße Sonne brannte. Plötzlich sah sie einen großen Wolf in den Dornen hängen. Sein Fell hing fest und er konnte nicht mehr fort. Maria hatte Angst
und schlich sich leise, leise vorbei. Aber da spürte sie wieder das Kind in sich, als wollte es ihr etwas sagen ... Sie sah den Wolf an. Und sie sah, dass er in Not
war! Halb verhungert war er schon! Da ging sie langsam zu ihm hin, redete gut mit ihm und schnitt sein verfitztes Fell von den Dornen ab. Schnell verschwand der Wolf im Gebüsch,
aber da, wo er gerade noch gesessen hatte, da blühte ganz zart eine rote duftende Rose. Und Maria schaute sie lange an und roch ihren süßen Duft, bevor sie weiterging.
Und immer noch hatte der Dornenwald kein Ende und Maria kämpfte sich durch die Stachelranken.
Da traf sie plötzlich auf einen Mann. Er kämpfte sich durchs Gestrüpp, wie sie. „Wo willst du hin?“ rief sie ihm zu. Wütend schrie er herüber: “Wo gehst du hin!? Wo gehst du hin!? Wie kann
man nur so blöd fragen!!“
Maria war erschrocken. Der Mann sah böse aus. Und sie ärgerte sich. Er war soo unfreundlich! Schnell wollte sie weitergehen und den Mann stehenlassen. Da spürte sie das Kind in sich - als wollte
es ihr etwas sagen. Sie drehte sich wieder um zu dem Mann ... und sie sah, dass er Angst hatte! Deshalb war er so unfreundlich! „Du kannst den Pfad gehen, auf dem
ich gekommen bin – er ist noch zu erkennen - hier in dieser Richtung. Dann kommst du aus dem Dornenwald heraus und triffst Menschen.“ Sie schaute dem Mann hinterher, der ihren Weg zurückging. Und
dort, wo er gerade gewesen war, blühte eine Rose.
Da war Maria so froh! Sie hatte keine Angst mehr. Sie wusste nun: all diese trockenen Dornbüsche würden einmal wieder grünen und blühen und duften. Sie sang dem Jesuskind ein Lied. Und alle
Dornbüsche, die das Lied hörten, begannen zu blühen. Sie sang und sang, bis sie endlich aus dem Wald herausfand.
Lied singen:"Maria durch ein´ Dornwald ging"
Verwendungsvorschlag:
Einen trockenen Rosendornenstrauß vor die Kinder stellen (solche Dornen waren das),
Vogel und Wolf aus Wolle o.ä. an der entspr. Stelle der Geschichte hineinhängen und wieder befreien (den Mann "spielt" der Erzähler selbst). Dafür dann dort eine Rosenblüte aus
zusammengeringelter roter Märchenwolle in die Dornen setzen.
Am Ende der Geschichte mit den Kindern den ganzen Strauß mit Blüten schmücken (Wolle-Streifen um den Finger wickeln. Vorsicht, mit den Kleidern Abstand halten, sonst hängt man auch fest!)
Gespräch:
"Was wollte wohl das Kind Maria sagen?" ... (wie Jesus, als er erwachsen war!)
"Warum sind die Rosen aufgeblüht?"
„Wir sind alle ein bisschen wie Maria. Jeder kommt irgendwann in seinem Leben an einen Dornenwald, wo kein Weg mehr ist. Aber auch wir tragen das Jesuskind in uns. Wenn wir das Jesuskind in uns spüren, gibt es uns Mut und Kraft, tröstet uns und zeigt uns, was wir tun sollen. Wenn wir es spüren und danach leben, können sich die Dornen in Rosen verwandeln!“
Die Kinder wollen immer wissen, ob nun Maria zu ihrer Freundin gekommen ist. Da kann man ja erzählen, dass auch Elisabeth und sogar ihr Kind im Bauch gespürt haben, dass Marias Kind ganz besonders war.
Manche wollten auch wissen, ob Maria auf dem Heimweg nochmal durch die Dornen gegangen ist. Ich habe gesagt, ich weiß es nicht, aber ich würde wohl lieber einen Umweg machen. Ein Junge meinte, er würde nochmal durchgehen - damit er noch mehr Tieren helfen kann.
Diese Geschichte habe ich auch nichtchristlichen Grundschulkindern erzählt. Sie haben sie sehr gemocht und wochenlang das Lied gesungen.
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