Der Tölpel

Bei den Hirten auf dem Feld in Bethlehem war auch ein Einfältiger. Alle sagten, er sei dumm. Er wurde von den anderen nur Tölpel genannt; das heißt Dummkopf.
Eines Nachts, in der Weihnacht, kam der Engel Gottes zu den Hirten auf das Feld. „Christus ist geboren, Euer Heiland...“ Der Tölpel begriff nicht, was der Engel sagte. Aber das Licht, das von dem Engel kam, ließ ihn staunend niederknien.
Und als die anderen losgingen, um das Kind zu finden, wie der Engel es ihnen gesagt hatte, da wollte auch er mit ihnen gehen. Aber die Hirten schämten sich, denn seine Kleider waren zerrissen, sein Haar struppig und sein Gesicht dumm.
„Bleib du hier bei den Schafen und beim Feuer!“, sagten sie. „Das Kind, das wir suchen, ist kein gewöhnliches Kind, sondern ein König. Einen Tölpel, wie du einer bist, kann es nicht brauchen.“
Doch der Tölpel ließ sich von ihren Worten nicht einschüchtern; er wollte trotzdem mit. Er lief ihnen nach, auch wenn er Mühe hatte zu folgen.
„Was willst du Ihm denn schenken?“ spotteten sie. Da sah der Tölpel erst, dass sie alle beladen waren mit Schafmilch, Käse und Wolle. Daran hatte er nicht gedacht. Er wurde traurig. Was nun? Aber auf einmal schaute er wieder froh, und er rief stolz: Ich könnte die Fliegen von seinem Gesicht verscheuchen!“
„Was glaubst du eigentlich!“ riefen die anderen zurück. „Dazu sind die Engel da!“.
Der Tölpel wurde sehr traurig. Aber auf einmal schaute er wieder froh, und er rief stolz: Ich könnte seine Füße reiben, um sie zu wärmen!“
„Was glaubst du eigentlich!“ riefen die anderen zurück. „Dazu sind die Engel da!“.
Der Tölpel fing an zu weinen. Aber auf einmal wurde er wieder froh, und er rief stolz: „Ich könnte ihm ein Lied singen, damit es einschlafen kann!“
„Was glaubst du eigentlich!“ riefen die anderen zurück. „Dazu sind die Engel da!“.
Der Tölpel wusste nun nicht mehr, was er tun sollte, und weinte noch mehr. Aber er gab nicht auf. Er wollte den König wenigstens von weitem sehen - und die Engel, die von einem Gesicht die Fliegen verscheuchten, die seine Füße rieben und ihm ein Lied sangen.
Endlich kamen die Hirten nach Bethlehem, und sie fanden das Kind in einer Krippe liegen, ganz arm. Maria und Joseph hatten mit den vielen Gästen alle Hände voll zu tun, denn nicht nur die Hirten, sondern auch die drei Könige hatten den Weg zur Krippe gefunden. Das war ein Trubel! Alle wollten Maria begrüßen, mit ihr reden, Geschenke überreichen... und das Kindlein weinte...
„Ach“, seufzte Maria, „wenn ich nur jemanden hätte, der dem Kind die Fliegen verscheucht, der ihm die Füße wärmt und ihm ein Schlaflied singt!“ Da sah Maria den Tölpel. Er war der einzige, der leere Hände hatte, denn alle anderen waren mit Geschenken beladen.
Maria legte ihm das Kind in die Arme.
Er verscheuchte die Fliegen.
Er rieb dem Kind die Füße,
um es zu wärmen,
und sang ihm ein Lied,
bis es einschlief.
Maria und Joseph und
die drei Könige staunten.
Die anderen Hirten aber
schämten sich –
und auf dem Heimweg
nahmen sie ihn in ihre Mitte.

   
(nach Max Bolliger: „Der Tölpel“.
In: „Ein Duft von Weihrauch
und Myrrhe“, Berlin 1986)

Fazit: Man kann sich mit den Geschenkpaketen, die man in den Händen trägt, den Blick darauf versperren, was der andere wirklich braucht!

Reden über Geschenke, die man nicht sehen kann: eine Fliege aus dem Wasserfass retten,
für die kranke Nachbarin einkaufen gehen,
ein Kind, das geärgert wurde, trösten,
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